Wir sind immer wieder erstaunt, wenn wir junge Chinesen um die drei Jahre beim Klavierspielen auf Youtube oder anderen Kanälen beobachten. Sie spielen klassische Lieder rauf und runter ohne Probleme und man hat das Gefühl, dass das Spielen auf dem Instrument so einfach wie das Alphabet ist. Hier ist natürlich klar, dass mit diesem Talent auch sehr viel Disziplin und Ehrgeiz nötig ist. Doch wo liegen die Unterschiede eigentlich zu deutschen Kindern und in welchem Umfeld wachsen die Kinder in China auf? Dieser Artikel gibt einen kurzen Einblick in eine besondere Welt der Asiaten und wie sie sich von der westlichen Welt unterscheidet.
Der schmale Grat zwischen Fördern und Verheizen
In der Erziehung der Kinder erkennt man schon in gewisser Weise die Unterschiede in der Förderung der Fähigkeiten des Kinds. Kommt das Kind in China schon mit 2-3 Jahren in Berührung, wird das Klavierspiel mit der Zeit und mit der Übung fast schon zur Selbstverständlichkeit. Denn es ist ähnlich wie das Erlernen einer neuen Sprache! In westlichen Kulturen wird das Erlernen eines Instruments mit viel Anstrengung, hoher Schwierigkeit und mitunter auch mit sehr viel Zeitaufwand in Verbindung gebracht. Der Gedanke, dass ein 3-jähriges Kind klassische Meisterwerke schon in diesem Alter beherrscht, ist in den Köpfen nicht in dieser Breite verankert wie in China.
Hier in Deutschland wollen wir unsere Kinder einfach die unbeschwerte „Kindheit“ überlassen. Sie sollen im Hof herumtoben, mit anderen Kindern spielen, die Natur entdecken. Und wenn sie Instrumente lernen wollen, werden sie langsam herangeführt. In der Erziehung der Eltern spiegelt sich manchmal das Talent der Kinder wieder. Wir haben Zweifel, ob das Klavier das richtige Instrument ist. Schließlich soll das Kind noch zur Schule und erstmal lesen und schreiben lernen! In China hingegen spielen die Kinder schon in dem Moment, indem sie sprechen lernen.
Hohe Spielkultur in China und zwanghaftes Spiel in Europa
In China ist Klavierspielen im Trend. Es sind vor allem prominente Superstars wie Lang Lang, auf den viele Nachwuchstalente aufschauen. In gewisser Weise kann man das mit der Organisation der Fußballklubs und der Nachwuchsförderung mit ihrer geordneten Struktur und einer hohen Zahl an Anhängern vergleichen. Deutschland ist auch deshalb Weltmeister im Fußball, weil die Nachwuchsarbeit von Generation zu Generation professionell weitergeführt wird. Und weil die Talente wie ein Rohdiamant mit der Zeit geschliffen werden. Doch bis ein Teil davon zu echten Stars aufsteigen, dauert es eben eine Weile.
Disziplin auf breiter Basis
In China tragen Werte wie Disziplin und Ehrgeiz die jungen Talente durch ihre musikalische Laufbahn. Und so spielen die Kids stundenlang am Instrument und sind nicht selten getrieben von der Strenge der Eltern. Sie spielen so, als wäre es eine Selbstverständlichkeit wie die Luft zum Atmen. Und aktuell stehen die Chinesen (auch dank der Bevölkerungszahl) in der Überzahl im Vergleich zu den europäischen Pianisten. Laut http://www.deutschlandfunk.de/klavier-boom-im-reich-der-mitte.691.de.html?dram:article_id=252254 spielen 40 Millionen Menschen in China Klavier. Klavierhersteller würden besonders in China profitieren. Dort ist der Absatz von teuren Klaviermodellen bis hin zu Eigenproduktionen sehr groß.
Musik ist Leidenschaft für die Chinesen
Lang Lang ist ein moderner Megastar der klassischen Musik Er spielt Mozart, Bach, Chopin und Beethoven in Perfektion vor großem Publikum zu diversen Anlässen. Das macht er gerne, er lebt die Leidenschaft aus und hier macht sich die vielen Stunden am Klavier bezahlt!
Musik kann man aber nur Leidenschaft sein, wenn es aus eigenem Antrieb und aus eigener Neugier entsteht. So hat man Millionen von Menschen aus China, die perfekt Meisterwerke beherrschen. Doch unter der Vielzahl der einflussreichsten Pianisten aller Zeiten (darunter zähle ich Beethoven, Johann Sebastian Bach, Chopin, Wolfgang Amadeus Mozart) tummeln sich nach meiner Einschätzung kaum Pianisten aus dem Fernen Osten.